Erfolgsfaktor Nachhaltigkeit

Nachhaltige Produkte eröffnen eine klassische Win-win-Situation für Holzverarbeiter, sagt Dr. Albert Rössler, Geschäftsleiter Forschung & Entwicklung beim österreichischen Lackhersteller ADLER: Sie eröffnen neue Geschäftsfelder und ermöglichen gleichzeitig mehr Sicherheit und Effizienz im Verarbeitungsprozess. In unserem Gespräch erzählt Dr. Rössler darüber hinaus von den vielfältigen Facetten der Nachhaltigkeit, den Herausforderungen im Entwicklungsprozess und dem faszinierenden Konzept der Kreislaufwirtschaft.
21.07.2021

Das Thema „nachhaltige Beschichtungen“ ist momentan in aller Munde. Inwiefern kann ein Lack eigentlich nachhaltig sein?

Nachhaltigkeit ist ein ungemein facettenreiches Thema, das weit über den klassischen Umweltschutz hinausgeht. Nachhaltig ist letztendlich alles, was unseren Lebensraum nicht negativ beeinträchtigt, sich also nicht schädlich auf Umwelt, Gesundheit, auf das Klima und auf die verfügbaren Ressourcen auswirkt. Bei unseren Produkten bedeutet das: Ein hoher Anteil natürlicher und nachwachsender Rohstoffe ist ebenso nachhaltig wie der Verzicht auf giftige oder umweltschädliche Stoffe. Dazu kommen die Sicherheit in der Anwendung, eine gute Emissionsbilanz oder der Material- und Energieverbrauch. Der Umweltaspekt ist also wichtig, aber es gibt auch zahlreiche andere Aspekte, um einen Mehrwert im Sinne der Nachhaltigkeit zu schaffen.

Seit wann kann man von nachhaltigen Lacken sprechen?

Nachhaltige Lacke hat es im Grunde schon gegeben, bevor der Begriff Nachhaltigkeit überhaupt aufgekommen ist. Bei ADLER haben wir bereits in den 1970er-Jahren begonnen, uns intensiv mit Wasserlacken zu beschäftigen – bis heute ist ein niedriger VOC-Gehalt ein zentraler Bestandteil jedes nachhaltigen Lacks. Außerdem haben wir schon früh umwelt- und gesundheitsschädliche Bestandteile aus den Rezepturen verbannt – also Schwermetalle, krebserregende oder toxische Stoffe. Heute sind die meisten unserer Lacke auch frei von synthetischen Nanomaterialien und Weichmachern. Während der Fokus anfangs vor allem auf Umweltthemen im engeren Sinn lag, hat sich in den vergangenen 10, 15 Jahren zunehmend ein ganzheitlicher Blickwinkel durchgesetzt, der nicht das Produkt selbst betrachtet, sondern den gesamten Kreislauf – von den Rohstoffen über die Herstellung und Verarbeitung bis zu den Abbauprodukten.

Stichwort Kreislauf: Das Kreislaufwirtschafts-Zertifikat „Cradle to Cradle“ spielt eine wichtige Rolle für ADLER. Warum?

Umwelt- und Nachhaltigkeitszertifikate gibt es, salopp gesagt, mittlerweile wie Sand am Meer, und die meisten haben sehr ähnliche Anforderungen an ein Produkt. „Cradle to Cradle“ geht noch einen Schritt weiter und prüft den gesamten Produkt-Zyklus. Der Anspruch von „Cradle to Cradle“ ist, dass das jeweilige Produkt nach dem Ende seines Lebenszyklus wieder in den Kreislauf zurückkehrt. Abfall ist kein Müll, sondern wertvolle Ressource – dieser Gedanke hat uns fasziniert.

Wie kann man sich dann den Entstehungsprozess eines neuen, nachhaltigen Lacks vorstellen?

Das ist von Fall zu Fall unterschiedlich. Manchmal entwickeln wir eine bestehende Rezeptur in Richtung Nachhaltigkeit weiter, indem wir etwa fossile Rohstoffe gegen nachwachsende Rohstoffe austauschen. Manchmal gibt es konkrete Anforderungen eines Kunden, die wir umsetzen wollen. Andere Produkte werden dagegen von Grund auf neu entwickelt, so wie z.B. unser neuer nachhaltiger Möbellack Bluefin Terra-Diamond. Da gilt es dann, aus einem großen Pool von Rohstoffen die passenden auszuwählen und die optimale Rezeptur zu entwickeln, die in jeder Hinsicht unseren Ansprüchen genügt – der Lack soll schließlich nicht „nur“ nachhaltig sein, sondern auch unsere hohen Standards in Sachen Verarbeitungsqualität, Widerstandsfähigkeit, Optik und Haptik erfüllen.

Neben den Rohstoffen spielt die Energiebilanz eine wichtige Rolle für nachhaltige Lacke. Inwiefern?

Auch in Sachen Energie muss man den gesamten Produktzyklus betrachten: Wie viel Energie wird für die Herstellung der Rohstoffe aufgewendet, wie viel für die Produktion des Lacks und die Lieferwege? Bei ADLER verwenden wir ausschließlich Strom aus nachhaltigen Quellen und optimieren laufend unsere Energieeffizienz – unser Ziel ist es, unseren Gesamtenergieverbrauch bis 2025 um 5% zu senken, trotz steigender Produktionsmengen. Ein weiterer wichtiger Aspekt ist schließlich der Energieaufwand, der beim Kunden entsteht – beim Lackauftrag, bei der Trocknung oder beim Schleifen. Jede Kilowattstunde Strom, die bei diesen Prozessen eingespart wird, macht sich doppelt bezahlt: Einerseits in der Ökobilanz, andererseits in der Geldbörse des Kunden. Eine klassische Win-win-Situation also – ich handle nachhaltig und spare gleichzeitig Energiekosten.

Stichwort Kunden: Wie entwickelt sich der Markt für nachhaltige Produkte?

Es gibt seit Jahren einen klaren Aufwärtstrend, aber noch auf einem relativ niedrigen Niveau. Wir haben in unserer Nachhaltigkeits-Strategie das Ziel formuliert, bis 2025 20% unseres Gesamtumsatzes mit nachhaltigen Produkten zu erwirtschaften – das halte ich für absolut machbar. Einerseits gibt es immer mehr Endkunden, die nicht nur bei Ernährung oder Kleidung, sondern auch bei ihrer Einrichtung zu ökologischen, nachhaltigen oder auch veganen Produkten greifen. Andererseits wird sich auch bei Verarbeitern immer stärker die Erkenntnis durchsetzen, dass sie selbst profitieren, wenn sie nachhaltige Produkte einsetzen: Weil sie gesündere und sicherere Arbeitsabläufe im eigenen Unternehmen erreichen, Abfall und Emissionen sparen und der Energiebedarf sinkt. Außerdem ist man mit den richtigen Produkten frühzeitig für strengere gesetzliche Regelungen gerüstet und arbeitet mit Qualitätsprodukten. Und schließlich ist es auch ganz einfach eine Frage der Haltung: Wir alle wissen, dass wir eine gemeinsame Verantwortung für Klima und Umwelt tragen – diese Verantwortung sollten wir auch in unserem beruflichen Umfeld leben.

Nach wie vor gibt es Vorbehalte, was die Qualität ökologischer Produkte betrifft. Sind sie gerechtfertigt?

Gewisse „Kinderkrankheiten“ gab es natürlich bei der Entwicklung ökologischer Produkte, aber die gehören längst der Vergangenheit an. Heute muss man bei der Verwendung nachhaltiger Produkte keinerlei Kompromisse in Sachen Qualität oder Verarbeitbarkeit eingehen, die Beschichtungen sind absolut gleichwertig zu konventionellen Produkten. Im Gegenteil, Verarbeiter haben oft sogar entscheidende Vorteile, weil nachhaltige Produkte hinsichtlich Abfall und Emissionen optimiert oder besonders effizient zu verarbeiten sind.

ADLER hat kürzlich ein green-Sortiment eingeführt. Was ist das Besondere daran?

Wir können unseren Kunden mittlerweile nachhaltige Beschichtungslösungen für alle Anwendungsbereiche anbieten – vom Fenster- bis zum Möbellack, vom Holzschutz bis zum Heimwerker-Produkt. Bildlich gesprochen: In einem Haus kann jede Oberfläche mit einem nachhaltigen ADLER-Produkt beschichtet werden. Dieses Produktsortiment haben wir nun in der green-Linie zusammengeführt. Dazu haben wir jedes einzelne Produkt einer aufwändigen internen Zertifizierung unterzogen, nach objektiven Kriterien, die absolut gleichwertig sind zu jenen der gängigen Umweltzeichen. Nur Produkte, die in den Kategorien Umwelt, Gesundheit & Sicherheit sowie Lebensdauer den höchsten Standard erreichen, schaffen es letztendlich ins green-Sortiment. Zu jedem green-Produkt gibt es ein eigenes Nachhaltigkeits-Datenblatt, in dem das Ergebnis dieser Zertifizierung transparent dokumentiert ist. Das heißt: unsere Kunden erhalten die geprüfte Qualität, die sie von ADLER gewöhnt sind – auch in Umweltbelangen.

Welche Entwicklungen erwarten Sie im Bereich nachhaltiger Beschichtungen für die nächsten Jahre?

Ich rechne mit vielen spannenden Weiterentwicklungen im Rohstoffbereich, nicht nur was die Nachhaltigkeit betrifft – Stichwort nachwachsende Rohstoffe –, sondern auch hinsichtlich der Funktionalität. Ein zweites zentrales Thema ist der Energiebereich, auch hier sehe ich noch viel Potential. Immer wichtiger wird dabei werden, dass die einzelnen Branchen eng zusammenarbeiten Viele wichtige Innovationen bei ADLER gingen schon in der Vergangenheit aus gemeinsamen Projekten mit Kunden, mit Rohstoff- oder Anlagenherstellern und natürlich auch mit wissenschaftlichen Einrichtungen hervor. Solche Innovations-Werkstätten werden in Zukunft immer wichtiger werden.

Interview in der ungekürzten Fassung

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ADLER – In unseren Adern fließt Farbe

Mit 630 Mitarbeiter/-innen ist ADLER Österreichs führender Hersteller von Lacken, Farben und Holzschutzmitteln. 1934 von Johann Berghofer gegründet, wird das Familienunternehmen heute in der dritten Generation von Andrea Berghofer geführt. 21.000 Tonnen Lack verlassen jährlich das Schwazer Werk und gehen an Kunden in über 30 Ländern weltweit. ADLER hat Vertriebsgesellschaften in Deutschland, Italien, Polen, den Niederlanden, der Schweiz, Tschechien und der Slowakei; einziger Produktionsstandort ist die ADLER-Werk Lackfabrik in Schwaz / Tirol (A). Als eines der ersten Unternehmen seiner Branche ist ADLER seit 2018 zu 100% klimaneutral. Durch eine Vielzahl von Maßnahmen hat ADLER seinen ökologischen Fußabdruck auf ein Minimum reduziert. Unvermeidbare Restemissionen kompensiert ADLER durch anerkannte Klimaschutz-Zertifikate und trägt so zur Finanzierung neuer Klimaschutzprojekte bei.

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